Brennender Durst, versagender Kreislauf – dahinter kann Ketoazidose stecken. Bei Diabetikern kommt es zu diesem Zustand, wenn das Blut zu sauer wird.
Aber wie kann es passieren, dass der Körper so übersäuert ist, dass er zusammenbricht? Ketoazidose entsteht, wenn der Körper von selbst nicht ausreichend Insulin produzieren kann. Insulin brauchen wir Menschen, damit aus Nahrung Energie für Muskeln und Gewebe werden kann. Das Stoffwechselhormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert und ist dafür verantwortlich, dass Glukose in die Körperzellen gelangt.
Ketoazidose: Körper schaltet in Notprogramm
Wenn nicht (mehr) genug Insulin verfügbar ist, schaltet der Körper in eine Art Notprogramm um. Um weiterhin an lebensnotwendige Energie zu kommen, baut er Fettzellen ab, wobei Ketone (Ketonkörper) entstehen. Sie sammeln sich im Blut und treiben den Säurespiegel nach oben, mit fatalen Folgen – im Extremfall kommt es zum Koma oder Tod durch Ketoazidose.
Hintergrund: Der Unterschied zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2
Bei beiden Formen der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus kommt es dazu, dass Glukose aus der Nahrung nicht ausreichend in die Körperzellen geschleust werden kann. Das führt dazu, dass die Energieversorgung des Körpers stark gestört wird und sich überschüssige Zuckermoleküle im Blut anreichern und die Gefäße schädigen, wenn die Krankheit nicht behandelt wird. Die Unterschiede zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2 liegen in den Ursachen für die Erkrankung:
- Diabetes Typ 1 entsteht durch eine Autoimmunreaktion. Das Immunsystem richtet sich – aus bislang ungeklärten Ursachen – gegen körpereigenes Gewebe und greift die Bauchspeicheldrüse an. Dort werden die Zellen, die das Insulin herstellen, komplett oder größtenteils zerstört. In der Folge kommt es zu einem Insulinmangel. Typ-1-Diabetes beginnt meistens im Kindes- oder Teenager-Alter und ist nicht heilbar. Die Betroffenen müssen ihrem Körper lebenslang Insulin zuführen, können aber, gut eingestellt, ein weitestgehend normales Leben führen.
Rund 10 Prozent der 7 Millionen Diabetiker in Deutschland hat Typ 1. Davon sind mehr als 30.000 Betroffene im Alter von 0 bis 18 Jahren. Ketoazidose tritt vor allem bei Diabetes Typ 1 auf.
- Diabetes Typ 2 entsteht, wenn die Körperzellen nicht mehr ausreichend auf Insulin anspringen, obwohl es noch von der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Wie eine solche "Insulinresistenz" entsteht, ist ebenfalls noch nicht vollständig geklärt, allerdings kristallisieren sich deutliche Risikofaktoren heraus: Übergewicht (besonders ein BMI über 30), Bewegungsmangel, erbliche Veranlagung und höheres Lebensalter. Deshalb wurde Typ-2-Diabetes früher auch „Altersdiabetes“ genannt, da die Krankheit vorwiegend im Seniorenalter das erste Mal auftrat. Mittlerweile sind aber auch viele junge Erwachsene und sogar Jugendliche betroffen, wahrscheinlich wegen Übergewicht. Dementsprechend können Gewichtsabnahme, Ernährungsumstellung und mehr Bewegung Diabetes Typ 2 zum Verschwinden zu bringen. Darüber hinaus gibt es Medikamente und im äußersten Fall die Möglichkeit, Insulin zu spritzen. Im Gegensatz zu Typ 1 ist Typ 2 Diabetes heilbar.
Rund 90 Prozent der 7 Millionen Diabetiker in Deutschland haben Typ 2. Davon wissen schätzungsweise 2 Millionen Betroffene noch nicht von ihrer Erkrankung, da sich Typ-2-Diabetes schleichend entwickelt.
Notfall Ketoazidose: Symptome, die Sie nicht übersehen dürfen
Bei Diabetes Typ 1 entwickeln sich die Ketazidose-Symptome oft schnell, manchmal sogar innerhalb von 24 Stunden. Es besteht die Gefahr, dass der potenziell lebensbedrohliche Zustand nicht erkannt oder verwechselt wird. Vor allem wenn Menschen (meist Kinder und Jugendliche) noch gar nicht wissen, dass sie an Typ-1-Diabetes erkrankt sind, können sie die gesundheitlichen Beschwerden nicht richtig deuten. Typische Ketoazidose-Symtome entstehen, wenn der Körper die Säure-Imbalance ausgleichen will, z.B. durch Keton-Ausscheidung über Atem und Urin. Die Anzeichen können sein:
- Übermäßiger Durst
- Häufiges Wasserlassen
- Übelkeit und Erbrechen
- Bauchschmerzen
- Schwäche und Erschöpfung
- Kurzatmigkeit
- Fruchtig bzw. nach Nagellack riechender Atem
- Verwirrung und Desorientierung
Wer bereits weiß, dass er Diabetiker ist, hat wahrscheinlich geeignetes Test-Equipment für Blut und Urin zuhause: Eine diabetische Ketoazidose zeigt sich in den Messergebnissen, durch einen hohen Blutzuckerspiegel (über 300 mg/dl) und eine hohe Ketonkonzentration im Urin. Spätestens im Krankenhaus werden diese Tests sofort gemacht. Eine diabetische Ketoazidose ist ein medizinischer Notfall und kann unbehandelt zum Tod führen.
Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie oder Angehörige betroffen sind, zögern Sie nicht, sofort den behandelnden Arzt oder den Notruf unter 112 zu kontaktieren bzw. das Krankenhaus aufzusuchen.
Behandlung einer Ketoazidose: Elektrolyte und Insulin als Lebensretter
Wenn eine diabetische Ketoazidose festgestellt ist, bekommen Patienten sofort Mittel, um Mängeln entgegenzuwirken. Elektrolyte, wie Natrium, Kalium, Chlorid, und Flüssigkeit werden als Infusion verabreicht, weil wegen des häufigen Wasserlassens eine Dehydrierung besteht. Insulin bekommen die Betroffenen meist auch intravenös oder per Pumpe, damit es so schnell wie möglich wirken kann. Der Körper braucht das Insulin, damit die Energiegewinnung wieder durch Glukose- statt Fett-Abbau stattfinden kann und die Ketonbildung aufhört. Werte wie Blutzucker, Ketonausscheidung und Elektrolythaushalt werden während der Behandlung stetig überprüft, um zu sehen, ob und wie sich der Stoffwechsel erholt. Wenn die Ketoazidose durch einen akuten Infekt (mit-)ausgelöst wurde, wird der Patient außerdem dagegen behandelt, z.B. mit Antibiotika.
Sonderfälle: Ketoazidose bei Diabetes Typ 2, Alkohol und Übergeben
Auch wenn Typ-1-Diabetiker das höchste Risiko haben, eine Ketoazidose zu erleiden, kann der Zustand prinzipiell auch bei anderen Menschen entstehen. Typ-2-Diabetiker sind weitaus seltener betroffen, weil ihr Körper noch Insulin produziert. Es gibt aber beim Typ 2 die Sonderform des Ketose-anfälligen Diabetes, deren Ursachen nicht geklärt sind. Es scheint eine genetische Komponente zu geben, da häufiger Menschen afrikanischer und lateinamerikanischer Herkunft betroffen sind.
Ketoazidose kann daneben auch unabhängig von Diabetes auftreten. Menschen, die große Mengen Alkohol trinken und sich dann häufig übergeben müssen, z.B. aufgrund einer Alkoholintoleranz, sind gefährdet. Vor allem, wenn das Erbrechen länger als einen Tag anhält und sie gleichzeitig nichts essen können. Der Blutzuckerspiegel sinkt dann stark ab, woraufhin der Körper weniger Insulin produziert. Ohne ausreichend Insulin kann wiederum keine Glukose in die Zellen geschleust werden und der Körper holt sich Energie aus den Fettzellen – derselbe Mechanismus wie bei diabetischer Ketoazidose.
Bei alkoholischer Ketoazidose ist allerdings der Blutzuckerspiegel sehr niedrig anstatt sehr hoch. Ob wirklich eine Ketoazidose vorliegt und nicht z.B. eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung, wie sie bei Alkoholmissbrauch vorkommt, kann nur ein Arzt durch entsprechende Tests und Ausschlussverfahren feststellen. Zur Behandlung bekommen die Betroffenen dann Infusionen mit Vitamin B1, Kochsalz und Glukose. Insulin brauchen sie nicht, weil – anders als bei Diabetikern – der Blutzuckerspiegel nicht erhöht ist.
Aufgepasst! Diese Risikofaktoren begünstigen Diabetische Ketoazidose
Am schwersten ist eine Ketoazidose für diejenigen zu erkennen, die noch nicht wissen, dass sie Diabetes haben. Bei ausuferndem Durst, Harndrang oder Kreislaufproblemen denkt kaum jemand als erstes daran, plötzlich Diabetiker zu sein. Da Typ 1 meistens im Kindes- und Jugendalter beginnt, sollten Eltern besonders aufmerksam sein, wenn Ketoazidose-Symptome bestehen. Darüber hinaus gibt es einige Risikofaktoren, die auch gut eingestellte und "erfahrene" Diabetiker schnell in die gefährliche Übersäuerung bringen:
- Insulin wird nicht mehr oder nicht mehr ausreichend gespritzt, z.B. wenn Diabetiker keinen Appetit haben, nichts essen und dann das Insulin zur Nahrungsaufnahme weglassen
- Eine weitere Krankheit belastet den Körper. Besonders häufig ziehen akute Infekte (z.B. Lungen- oder Blasenentzündung), Herzinfarkte, Schlaganfälle und Bauchspeicheldrüsenentzündungen eine Diabetische Ketoazidose nach sich.
- Selten lösen bestimmte Medikamente die Übersäuerung aus, sog. Natrium-Glukose-Cotransporter-2 (SGLT-2)-Hemmer. Diese Mittel werden von manchen Typ-2-Diabetikern eingenommen, um den Blutzuckerspiegel zu senken.
Kann Low-Carb-Diät zur Ketoazidose führen?
Von Ketose haben wahrscheinlich schon viele Menschen gehört. Bei ketogener Ernährung bzw. Low-Carb-Diäten oder Fasten wird dieser Zustand angestrebt. Durch die Aufnahme von besonders wenig Kohlenhydraten soll der Körper dazu angeregt werden, zur Energiegewinnung Fettzellen abzubauen. An sich ist Ketose bei gesunden Menschen nicht gefährlich. Der Säurewert des Blutes steigt zwar auch, aber nicht in einem Ausmaß, das den Körper überfordert.
Auch wenn sich die Begriffe ähnlich anhören, wird die Ketoazidose im Gegensatz zur Ketose nicht von ketogener Ernährung ausgelöst. Bei einer Diabetische Ketoazidose entstehen 10 Mal mehr Ketonkörper im Blut als bei der Ketose. Typ-1-Diabetiker sollten Ernährungsumstellungen und Diäten ohnehin nur in Absprache mit ihrem Arzt angehen. Bei Typ-2-Diabetes und dessen Vorstufen wird mittlerweile sogar von Ärzten und Ernährungsberatern zu einer kohlenhydratarmen Diät geraten.
Weitere Informationen zur Rolle der Ernährung bei Diabetes und wichtige Forschungs-News finden Sie auf unserer großen Diabetes-Themenseite.
Wenn Sie – z.B. zum Gewichtsverlust – kohlenhydratarme Ernährung ausprobieren wollen, finden Sie hier leckere und einfache Low-Carb-Rezepte für jeden Geschmack.
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August 02, 2020 at 01:19AM
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