Wenn es ums Thema Spinnen geht, denkt man wohl erstmal an die Tiere, an etwas verrückte Leute vielleicht oder aber auch an Dornröschen am Spinnrad. Und der letzte Gedanke ist auch gar nicht so abwegig, wenn es um einen Medizin-Innovation aus Jena geht: Beim sogenannten Elektrospinnen werden - etwas vereinfacht gesagt - Fäden gesponnen. Nur, dass es hier keine Fäden aus Wolle sind, sondern winzig kleine Fäden aus chemischem Material - sogenannten Polymeren.
Ralf Wyrwa von der Industrieforschungseinrichtung "Innovent" in Jena arbeitet mit der Technologie des Electrospinning: "Dabei wird eine Polymerlösung oder auch eine Polymerschmelze an eine Düse gebracht und einem elektrischen Feld von 20- bis 50-tausend Volt ausgesetzt und dabei bildet sich aus den Polymer-Tropfen eine sehr dünne Faser, die im Nanometer-, im Mikrometerbereich liegen kann." Diese Fasern werden anschließend aufgewickelt und parallel zueinander angeordnet. Am Ende entsteht daraus eine Art Vlies, erklärt Wyrwa.
Die sehr dünnen bioverträglichen Fasern werden parallel aneinander gelegt. An ihnen entlang können sich dann die Zellen auswachsen, die dann als natürliches Gewebe Sehnen und Bänder bilden.
Bio-Vlies soll einmal bei Sehnen- und Bänderrissen zum Einsatz kommen
Das Vlies aus einem Biomaterial soll einmal bei Sehnen- und Bänderrissen zum Einsatz kommen. Der Bedarf in diesem Bereich sei groß, erläutert Wyrwa. In Zeiten einer immer älter werdenden Gesellschaft und steigender Zahlen von Sportunfällen, gebe es zahlreiche Sehnen- und Bänderrisse. Das elektronisch gesponnene Vlies soll das kaputte Gewebe nicht dauerhaft ersetzen, sondern bei der Heilung helfen: Im Körper ersetzt es zunächst ein gerissenes Band, wird aber nach und nach von körpereigenem Gewebe überwachsen - und gewissermaßen ausgetauscht.
Material baut sich im Körper selbst ab
"Unsere Materialien werden im Körper langsam abgebaut und durch natürliches Gewebe ersetzt. Nach einer gewissen Zeit bleibt nur noch das natürliche Gewebe übrig." So könnten zum Beispiel Vernarbungen vermieden werden und das Band oder die Sehne bleibt auch nach der Heilung voll funktionsfähig. Außerdem sei das Material fest genug, um der hohen Belastung, der Bänder und Sehnen ausgesetzt sind, standzuhalten. Noch haben die Forschenden aber nicht ausprobieren können, ob ihr Reparatur-Vlies im menschlichen Körper wirklich genau so funktioniert, wie gedacht. Aber die Zeichen stünden gut, ist sich Wyrwa sicher.
Mögliche Marktreife in fünf bis sieben Jahren
"Wir haben die Materialien hinsichtlich Biomechanik untersucht, hinsichtlich Abbau und hinsichtlich auch der Besiedelung mit Zellen und konnten nachweisen, dass das durchaus sehr spannende Kandidaten sind, die man dann wirklich auch weiter in der Klinik untersuchen kann." Das wäre dann der nächste Schritt: Dazu kooperieren die Jenaer bereits mit der italienischen Universität Teramo und dem Uniklinikum in Jena. Dort interessiert sich die Arbeitsgruppe von Professorin Britt Wildemann an der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie für die neue Technologie. Erweisen sich die geplanten Kooperationen als erfolgreich, könnte das Material in fünf bis sieben Jahren marktreif sein. Dann müsste sich allerdings noch ein Partner aus der Industrie finden, der das Vlies im großen Rahmen herstellt.
Die Zusammenarbeit mündete 2020 bereits in mehreren Publikationen, wobei in der aktuellen Arbeit (M. El Khatib et al., Molecules 2020, 25, 3176) über plasmabehandelte elektrogesponnene Vliesmaterialien mit hochgerichteten Fasern berichtet wird.
August 07, 2020 at 08:02PM
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Mit Strom gesponnene Nanofasern sollen bei Bänderriss helfen - MDR
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Gewebe
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